Der Erste Weltkrieg: Das Feuer – Henri Barbusse
Der Erste Weltkrieg: Henri Barbusse meldet sich freiwillig als einfacher Soldat und schreibt während der 22 Monate, von Dezember 1914 bis zur seiner Verletzung im Jahre 1916, ein minutiöses Tagebuch.
Er hat viele Einzelheiten festgehalten, den Tagesablauf, die Märsche, die die Soldaten machen mussten, die Umgebung, durch die sie marschierten, wie sie sich ihre Verpflegung beschafft haben, wenn sie unterwegs waren, das Leben in den Schützengräben, die Gespräche seiner Mitsoldaten, ihre Überlegungen, Gedanken.
Und was ihn als Mensch und Schreiber so besonders macht: Er hat sie selbst sprechen lassen: Er hat ihre Sprache so aufgeschrieben, wie er sie gehört hat. Im Originaltext, auf französisch, ist es manchmal herausfordernd, die Gespräche zu verfolgen, weil Henri Barbusse die Wörter verformt hat, um die Aussprache wahrheitsgemäß wiederzugeben.
Großer Zuhörer
Henri Barbusse hat geschrieben, wo er nur konnte. Er wird öfters von seinen Kameraden gefragt, was er alles schreibt. Er antwortet, dass er das aufschreibt, was sie sagen und fühlen. Das gefällt seinen Mitstreitern, sie bestärken ihn, es genau so aufzuschreiben, wie es gewesen ist. Damit die Welt mitbekommt, wie es ist im Krieg und in den Schützengräben ist – auch und gerade weil sie es selbst vielleicht niemals weitergeben werden können.
Feiner Maler
Henri Barbusse zeichnet feine Bilder von seinen Gefährten. Du hast den Eindruck sie nach und nach immer besser zu kennen und jeden auf seine Art zu schätzen.
Henri Barbusse lässt die Menschen ganz, er beurteilt sie nicht, er beschreibt sie mit ihren
Charaktereigenschaften, ihren Ticks, Stärken und Vorlieben.
Er hat dabei einen distanzierten und sehr liebevollen Blick. Henri Barbusse mit seiner genauen Beobachtungsgabe gibt uns mehr als einmal einen großen Einblick in das Herz der Menschen.
Das Tagebuch fängt wie ein Tatsachenbericht an. Es wirkt alles noch recht harmlos, da wird einmal die Truppe dahin geschickt, dann wieder woanders hin ins Hinterland.
So wie die Soldaten selbst nicht wissen, welcher Befehl sie wohin bringen wird, verstehst du als Leser, als Leserin auch nicht genau, was und warum etwas so geschieht, wie es geschieht.
Und dann verdichtet sich der Stil des Autors, als die Einsätze der Truppe an der Zweitfront oder der Front immer häufiger werden.
Auch da und gerade hier ist Henri Barbusse sehr genau. Er schreibt alles auf, was passiert, auf der Ebene des täglichen Lebens des einfachen Soldaten. Er stellt keine Überlegungen über die Sinnhaftigkeit einen Befehls an, er schreibt auf, worüber die Soldaten sich unterhalten, wie sie sich gegenseitig bestärken. Henri Barbusse zeigt dir eine Stimmung von gegenseitigem Akzeptieren, von Respekt auf. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob die Distanz, mit der Henri Barbusse selbst seine tapferen Gefährten sieht, genau das bewirkt hat, dass sie sich gegenseitig ausgehalten und unterstützt haben.
Gegen Ende nehmen die Feuergefechte immer mehr zu.
Gewaltige Szenen
Henri Barbusse’s Meisterschaft der genauen Beschreibungen wird immer intensiver. Er malt wie ein Historienmaler riesige Bilder der Landschaften. Er geht und du gehst mit ihm und seinem Freund den Weg der Verwüstung auf der Suche nach dem Dorf und nach dem Platz, wo sein ehemaliges Haus gestanden haben könnte. Diese Szene ist so stark, dass du sie wie ein Regisseur nachbilden kannst und Henri Barbusse ist der farbkräftigeste Bühnen- und Kulissenmaler.
Die Feuerszenen sind so dynamisch, dass du mitten im Gebrüll der Waffen bist und du fragst dich, wie es sein kannst, dass du sie hörst und doch nicht wahrnimmst so wie der Soldat auch.
Wie geht Frieden?
Und dann kommt die letzte Szene.
Die Soldaten befinden sich unter einem Himmel, der alle seine Regenpforten aufgemacht hat, im Schlamm eingegraben in einem Moor.
Auf einmal ruhen die Gefechte, das Gebrüll, nur weiter weg sind noch Kanonendonner zu hören.
Der Krieg stoppt und die Gestalten, die sich kaum von der Masse des Sumpfes unterscheiden, gestatten sich zum ersten Mal über die Sinnhaftigkeit des Krieges, über ihre Rolle im Krieg, über die Zukunft, die sie erwartet, zu sprechen. Über ihre Ängste noch einmal von anderen missbraucht zu werden. Für die Verherrlichung ihrer Leiden, die in der Gegenüberstellung zum Gegner dazu führt, wiederum die Feinde für die zukünftige Kriege zu produzieren.
Hier wird Henri Barbusse aktiv. Er ergreift das Wort, diskutiert und klagt mit an. Die Soldaten, Gestalten, die kaum von der Erde, in der sie liegen, auseinander zu halten sind, sprechen nacheinander ihre Gedanken aus. Henri Barbusse zeigt auf, dass es, abgesehen von den Menschen, die vom Krieg aktiv profitieren, einen Krieg ohne die Beteiligung des einfachen Soldaten nicht gibt, oder wie es einer der Überlebenden sehr richtig ausdrückt: „Es wird unter diesem Himmel keine schrecklichen Dinge mehr geben, die 30 Millionen Menschen ausführen, die sie nicht wollen.“ (freie Übersetzung von Chris Pape)
Henri Barbusse und seine Mitstreiter schlagen uns eine Lösung, eine Bedienungsanleitung für den Frieden vor:
Übernimm die Verantwortung für dein Handeln und Tun selbst!
Lass dich nicht einlullen von Wörtern, Begriffen, die gegen dich verwendet werden.
Lass dich nicht aufhetzen gegen jemanden, der du selbst bist.
Du bist der andere und die andere bist du!
Es gibt keinen Unterschied in der Gleichheit zwischen dir und einem anderen Menschen.
Henri Barbusse’s Botschaft, 1916 geschrieben, ist genauso gültig für uns jetzt in der Gegenwart!
Lass dich mitreißen vom Feuer der Erkenntnis!
Chris
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Danke! Ein mitreißendes Buch. Ich finde es toll, dass Henri Barbusse mit seinem Feuer auch aus dem scheinbar sinnlosen Leiden und Sterben Sinn schafft und die Menschen, die im Krieg geopfert wurden weiterleben lässt.
Und sein lauter Schrei nach Frieden ist heute aktueller denn je – auch, wenn das Sterben heute oft außerhalb von Europa stattfindet.